Alles richtig, ronnie. Weil es in diesem Jahr besonders schwer ist, die Zusammensetzung der Wählerschaft richtig vorauszusagen, würd ich in jedem Fall auf Indices mehrerer Polls setzen (wie bei RCP, Pollster oder 538). Einzelne Polls weichen gerade bei dieser Wahl oft ziemlich stark von diesen Mittelwerten ab. Kleine Ergänzung noch zu den Unsicherheitsfaktoren: Die Handynutzer, die in einigen Umfragen wohl unterrepräsentiert sein dürften.
Ich hab ne extrem nützliche Webseite gefunden für Trader, die sich ohne nennenswerten Zeitaufwand über den Stand der Dinge informieren möchten: Die Washington Post hat eine Liste der zehn spannendsten Staaten mit dem jeweils aktuellen RCP-Durchschnittswert, Wahlkampfauftritten der Kandidaten und dem Volumen der Fernsehwerbung; dazu auch die Summe der Spenden aus diesem Staat an den jeweiligen Kandidaten (das gilt als recht guter Indikator für den Enthusiasmus der Basis). Sehr klar und übersichtlich:
Ich hab jetzt mal die Staaten in die interaktive Wahlkarte (Link im ersten Post des Threads) eingegeben, in denen Obama im Durchschnitt der Umfragen bei über 50% liegt und komme dann auf 291 Wahlmännerstimmen für ihn und 247 für seinen Gegner. Gestehen wir Obama dann noch Ohio zu, wo er die 50%-Marke nur ganz knapp verpasst und über sechs Punkte vor McCain liegt, wäre unser Demokrat bei 311 Electoral Votes, McCain bei 227. Das entspräche ziemlich genau unseren Marktwerten.
Wahlkampf in den USA: Zeit für Kitsch. Unvergessen (?) Hillarys Wahlkampfvideo unter dem Weihnachtsbaum beispielsweise oder Mike Huckabees Botschaft zu den Feiertagen. Aber am schönsten finde ich immer noch dieses Musikvideo aus der Anfangsphase des Vorwahlkampfs; es muss mittlerweile schon anderthalb Jahre alt sein. "Obama Girl" räkelt sich lasziv und singt von ihrer Liebe zu einem Außenseiter, der wohl bald Präsident werden dürfte. Parteitagsbilder, Silikonbrüste und süßlicher Synthie-Pop: Einfach unschlagbar und auf youtube immerhin über zehn Millionen mal angeschaut. Wenn Ihr vor Fremdscham in die Maus beisst, macht bitte nicht mich verantwortlich. Nur zur Warnung: "You tell the truth unlike the right / you can love but you can fight / come on and Barack me tonight." Auf geht's:
www.youtube.com/watch?v=wKsoXHYICqU
politico bringt eine Liste der dreckigsten Gerüchte, die im Wahlkampf die Runde machten:
www.politico.com/news/stories/1008/15106.html
EDIT: Musikalisch wesentlich ansprechender, allerdings nicht besonders hellsichtig die Antwort eines Hillary-Fans auf das "Obama Girl": "Obama is not gonna win, even if you take off all your clothes."
Noch ein sehr witziges Video: McCain versucht in den letzten Tagen, Obama als Mann mit antisemitischen Connections hinzustellen. Sein Politikberater Michael Goldfarb äußert sich dazu im Fernsehen, spielt auf den Reverend Wright an, weigert sich aber auf wiederholte Nachfrage, den Namen auch auszusprechen. Schwer verständlich - offenbar ist Wrights Name im Hause McCain absolut tabu. Bizarr.
Irgendwer wichtiges wird McCain massiven Ärger angedroht haben wenn er auf dem Kampfpfaffen rumreitet. Zumindestens erklär ich es mir so.
Es gab mal Theorie es wäre Powell gewesen, als Gegenleistung empfiehlt der wiederum nich Obama. Powell kanns zumindestens nicht gewesen sein, aber das da irgendein Deal hinter den Kulissen läuft bin ich mir eigentlich sicher. Mit seinen Telefonrobocops schreckt McCain ja gerade vor gar keinen Schauermärchen zurück, also gibts für ihn keinen offensichtlichen Grund die Reverend Nummer nicht zu spielen.
Wirklich seltsam - dass sie keine Fernsehspots aus Wrights Tiraden schneidern, ist die eine Sache, aber dass ein McCain-Scherge noch nicht mal den Namen im Fernsehen äußern darf, ist schon komisch.
Der konservative American Spectator schaut in die Zukunft: Mitt Romney positioniere sich zurzeit aggressiv für eine weitere Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2012; seine Leute im republikanischen Wahlkampfteam versorgten die Presse mittlerweile mit Munition gegen Palin, die als mögliche Rivalin gelte:
"Sarah Palin is a lightweight, she won't be the first, not even the third, person people will think of when it comes to 2012," says one former Romney aide, now working for McCain-Palin. "The only serious candidate ready to challenge to lead the Republican Party is Mitt Romney. He's in charge on November 5th."
Dieses Jahr fiel das überall prognostizierte Hauen und Stechen in der GOP ja verhältnismäßig kurz aus: McCain stand schnell als der Kandidat fest, auf den sich alle zähneknirschend einigen konnten. Vielleicht holt man nach der verlorenen Wahl die aufgeschobenen Richtungskämpfe nach.
Schwarzenegger lädt Obama zum "Bodybuuuuildin" ein!
In Obamas Hauptquartier in Chicago dürften Schultern geklopft werden: Nach dem dreißigminütigen Infomercial am Mittwoch Abend zeigen sieben von acht Tracking Polls Zugewinne für Obama. Es hat sich also wohl gelohnt.
Obamas Strategen schalten jetzt auch Fernsehwerbung in Georgia, North Dakota und in McCains Heimatstaat Arizona; in allen drei Staaten ist McCains Vorsprung relativ gering. Allerdings vermute ich, dass es sich hier eher um ein PR-Manöver handelt.
Gruselige Zeiten für Konservative also. Passend dazu McCains Halloween-Auftritt gestern in Ohio mit Arnold. Die Anhänger kamen verkleidet als John, Sarah oder Joe, die Demonstranten vor der Tür als George W. Bush.
Richtig schaurig wird es im Senatswahlkampf in North Carolina. Amtsinhaberin Elizabeth Dole schaltet Werbespots, die ihre Gegnerin Kay Hagan anklagen, Spenden von den "Godless Americans", einer Vereinigung von Atheisten, angenommen zu haben. Auszug aus dem Text des Filmchens: "Godless Americans and Kay Hagan. She hid from cameras, took godless money. What did Hagan promise in return? [Stimmenimitator imitiert Hagan:] There is no god!"
Also, das ist ja man wirklich unterste Schublade. Hagan antwortet in einem eigenen Fernsehspot denn auch sehr deutlich: Sie sei Christin und "I approved this message because my campaign is about creating jobs and fixing our economy, not bearing false witness against fellow Christians."
Ein Letztes noch: Ich hätte nie gedacht, dass ich die Begriffe "Daily Telegraph" und "lesenswert" mal in einem Satz benutzen würde, aber die britische Zeitung bietet ein exzellentes Portrait von Radio-Zar Rush Limbaugh. Allemal ein faszinierender Charakter: Für Anhänger jemand, der Wahrheiten verkündet, die alle anderen nicht auszusprechen wagen; für Gegner ein hemmungslos parteiischer Demagoge. Der Autor des Daliy Telegraph-Artikels kann den notorisch medienscheuen Limbaugh in dessen Aufnahmestudio interviewen; sowohl zu der Rolle, die er in der amerikanischen Medienlandschaft spielt, als auch zu persöhnlicheren Fragen: Limbaugh ist bekennender Einzelgänger, jeden Tag oft stundenlang kaum ansprechbar, versteckt in einem luxuriösen Anwesen mit den geliebten Katzen, zeitweise tablettenabhängig. Dann allerdings jeden Tag auf Sendung mit einem dreistündigen, größtenteils improvisierten Monolog über amerikanische Werte, die sinistren Umtriebe der Linken und eine Erlösungsreligion namens "Treibhauseffekt". Ein so sensibler wie rücksichtsloser Sonderling, dessen tägliche Show aber seit zwanzig Jahren von Millionen verfolgt wird. Seine Hörerzahlen übertreffen die Auflage der New York Times um den Faktor 12. Der britische Journalist schreibt:
"Limbaugh thinks there is a war going on between people like him who want small, efficient government and people who want a powerful state that decides who gets what. 'And they use hoaxes like global warming to advance their agenda of higher taxation and bigger government.'
Oh dear. You don't have to agree with his red-meat views to find them insightful. They represent, after all, the authentic voice of conservative, and neo-conservative, America."
EDIT: Nate Silver schaut sich die Frühwähler-Zahlen an und schlussfolgert, dass Obama in den drei Schlüsselstaaten Nevada, New Mexico und Colorado schon vor Dienstag als Sieger feststehen dürfte:
Ungefähr zwei Drittel der in Colorado erwarteten Wähler haben einer Untersuchung zufolge bereits abgestimmt und Obama führt mit zehn Punkten Vorsprung. In New Mexico haben 55 bis 60 Prozent der erwarteten Wählerschaft ihr Kreuzchen schon gemacht; Obamas Vorsprung hier angeblich 17 Punkte. In Nevada sind bereits 53% der Wahlbeteiligung von vier Jahren erreicht, in den zwei wichtigsten Distrikten kommen die Demokraten auf riesige Mehrheiten (23% Vorsprung in und um Las Vegas, 15% Vorsprung im traditionell eher republikanischen Reno).
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