Präsidentschaftswahl 2020: Herbst der Stagflation

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  • RE: Entlarvend

    Wanli, 22.09.2020 09:58, Reply to #60
    #61

    Heuchlerisch ist an meiner Ansicht überhaupt nichts. Es gab vor Mitch McConnells Aufstieg zum Chef der republikanischen Fraktion nie eine vergleichbare Blockadehaltung wie seitdem. Beide Parteien haben durchaus mal einen Kandidaten für einen Richterposten durchfallen lassen, aber dass man sich weigert, einen Kandidaten überhaupt anzuhören, das hatte 2016 eine neue Qualität, ebenso die massenhafte Blockade von Obama-RichterInnen auf niedrigerer Ebene bis 2013. Dass die Demokraten darauf reagieren müssen, steht für mich außer Frage, heuchlerisch ist das mitnichten.

    Und wenn man sich anschaut, wie ungleich die Verteilung der Senatssitze (und damit mittelbar auch der Sitze am Obersten Gerichtshof) ist - siehe Senatsthread, schön mit Zahlen belegt -, dann stellt sich natürlich zwangsläufig die Frage, wie man das Spielfeld etwas ausgeglichener gestaltet, sodass nicht regelmäßig eine Minderheit der BürgerInnen einer Mehrheit ihren Willen aufzwingen kann.

  • RE: Entlarvend

    SeppH (!), 22.09.2020 11:08, Reply to #61
    #62
    Und wenn man sich anschaut, wie ungleich die Verteilung der Senatssitze (und damit mittelbar auch der Sitze am Obersten Gerichtshof) ist - siehe Senatsthread, schön mit Zahlen belegt -, dann stellt sich natürlich zwangsläufig die Frage, wie man das Spielfeld etwas ausgeglichener gestaltet, sodass nicht regelmäßig eine Minderheit der BürgerInnen einer Mehrheit ihren Willen aufzwingen kann.

    Dieses Argument ist für mich nicht stichhaltig. Es ist doch gerade die Idee, dass die Bundesstaaten gleich im Senat vertreten sind. Für Mehrheiten basierend auf den Einwohnerzahlen gibt es das Repräsentantenhaus. Wähler der Demokraten können ja in republikanisch dominierte Staaten ziehen; es zwingt sie keiner, in Kalifornien oder sonst wo zu wohnen.

  • RE: Entlarvend

    sorros, 22.09.2020 16:18, Reply to #62
    #63
    Und wenn man sich anschaut, wie ungleich die Verteilung der Senatssitze (und damit mittelbar auch der Sitze am Obersten Gerichtshof) ist - siehe Senatsthread, schön mit Zahlen belegt -, dann stellt sich natürlich zwangsläufig die Frage, wie man das Spielfeld etwas ausgeglichener gestaltet, sodass nicht regelmäßig eine Minderheit der BürgerInnen einer Mehrheit ihren Willen aufzwingen kann.

    Dieses Argument ist für mich nicht stichhaltig. Es ist doch gerade die Idee, dass die Bundesstaaten gleich im Senat vertreten sind. Für Mehrheiten basierend auf den Einwohnerzahlen gibt es das Repräsentantenhaus. Wähler der Demokraten können ja in republikanisch dominierte Staaten ziehen; es zwingt sie keiner, in Kalifornien oder sonst wo zu wohnen.

    Die Bundesregierung sollte die Mehrheit der Wähler repräsentieren.
    Für besondere regionale Bedarfe ist eine 2, Kammer sinnvoll, die so ähnliche Befugnisse haben mag, wie der Bundesrat.
    Keinesfalls ist es demokratisch die Bunderegierung den Präsidneten und die obersten Richter nicht nach den realen Wählermehrheiten im Land zu bestellen.

  • Zeit für den Wandel

    Wanli, 22.09.2020 18:37, Reply to #63
    #64

    Für besondere regionale Bedarfe ist eine 2, Kammer sinnvoll, die so ähnliche Befugnisse haben mag, wie der Bundesrat.

    Richtig; der amerikanische Senat hat einfach zu viel Macht angesichts seiner doch sehr unausgewogenen Besetzung. Ein altes Axiom der politischen Philosophie ist ja, dass Regierungssysteme dann legitim sind, wenn sie die Zustimmung der Regierten genießen - letztlich ein Ableger der Gesellschaftsvertragstheorie. Und man kann schon langsam anzweifeln, ob das noch der Fall ist.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Consent_of_the_governed

    Zudem gäbe es durchaus Lösungsansätze, für die schlicht auch Grundprinzipien der Demokratie sprechen. Washington DC etwa stellt keine SenatorInnen, obwohl der Regierungsbezirk mehr Einwohner hat als die Staaten Vermont und Wyoming - wie ist das zu rechtfertigen? Puerto Ricos Einwohnerzahl übertrifft trotz der Abwanderung von einer halben Million Menschen in den letzten Jahren immer noch die von 20 Bundesstaaten, aber das Territorium wählt weder den Kongress noch den Präsidenten - was dann mit dazu beiträgt, dass die Katastrophenhilfe nach Hurrikan Maria ein Klacks war im Vergleich zu den Maßnahmen, auf die sturmgebeutelte Bundestaaten zählen dürfen. Alaska und Hawaii waren die letzten Gebiete die - 1959 - zu Bundesstaaten erklärt wurden, beide haben zusammen deutlich weniger BürgerInnen als Puerto Rico - ein ziemlicher Skandal.

    https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_states_and_territories_of_the_United_State s_by_population

  • RE: Entlarvend

    SeppH (!), 22.09.2020 18:43, Reply to #63
    #65
    Keinesfalls ist es demokratisch die Bunderegierung den Präsidneten und die obersten Richter nicht nach den realen Wählermehrheiten im Land zu bestellen.

    Gemäß diesem Argument wären weder die EU noch Frankreich noch UK demokratisch bzw. wäre es schwer, überhaupt demokratische Staaten auf der Erde zu finden.

  • SC

    drui (MdPB), 22.09.2020 18:45, Reply to #64
    #66

    Romney ist auf McConnells Seite. Für mich nicht sehr überraschend, er ist ein radikaler Abtreibungsgegner.

    Damit könnte die Abstimmung sogar noch vor der Wahl stattfinden.

    https://www.politico.com/news/2020/09/22/romney-supports-holding-a-vote-on-next- supreme-court-nominee-419898

  • Theorie und Praxis...

    SeppH (!), 22.09.2020 18:51, Reply to #64
    #67
    Zudem gäbe es durchaus Lösungsansätze, für die schlicht auch Grundprinzipien der Demokratie sprechen. Washington DC etwa stellt keine SenatorInnen, obwohl der Regierungsbezirk mehr Einwohner hat als die Staaten Vermont und Wyoming - wie ist das zu rechtfertigen? Puerto Ricos Einwohnerzahl übertrifft trotz der Abwanderung von einer halben Million Menschen immer noch die von 20 Bundesstaaten, aber das Territorium wählt weder den Kongress noch den Präsidenten - was dann mit dazu beiträgt, dass die Katastrophenhilfe nach Hurrikan Maria ein Klacks war im Vergleich zu den Maßnahmen, auf die sturmgebeutelte Bundestaaten zählen dürfen. Alaska und Hawaii waren die letzten Gebiete die - 1959 - zu Bundesstaaten erklärt wurden, beide haben zusammen deutlich weniger BürgerInnen als Puerto Rico - ein ziemlicher Skandal.

    Das ist zu einfach argumentiert. Weniger Rechte, weniger Pflichten, so müssen sich die Puerto Ricaner z.B. nicht am allgemeinen Steuereinzug der USA beteiligen, also zumindest bei der Einkommenssteuer nicht. Bei Washington D.C. gäbe es verfassungsrechtliche Bedenken. Also so einfach ist es wirklich nicht.

  • Power to the People

    Wanli, 22.09.2020 19:47, Reply to #67
    #68

    Weniger Rechte, weniger Pflichten, so müssen sich die Puerto Ricaner z.B. nicht am allgemeinen Steuereinzug der USA beteiligen, also zumindest bei der Einkommenssteuer nicht.

    Nun, in einer Demokratie kann man nicht einfach einen Teil der Staatsbürger von Wahlen ausschließen. Die Lösung, die auch die Demokraten favorisieren, ist ein Referendum, in dem Puerto Ricos BürgerInnen abstimmen können, welchen Status ihre Insel in Zukunft haben soll: Bundesstaat, Territorium (wie bisher), Unabhängigkeit.

    2017 gab es das letzte Referendum dieser Art, 97% der WählerInnen stimmten - bei allerdings sehr niedriger Wahlbetteiligung - für eine Zukunft als Bundesstaat der USA.

    https://en.wikipedia.org/wiki/2017_Puerto_Rican_status_referendum

    Am 3.11. steht die Causa erneut zur Abstimmung, diesmal ist auch eine höhere Wahlbeteiligung zu erwarten.

    https://en.wikipedia.org/wiki/2020_Puerto_Rican_status_referendum

    Bei Washington D.C. gäbe es verfassungsrechtliche Bedenken. Also so einfach ist es wirklich nicht.

    Doch. Zwar sieht die Verfassung einen Hauptstadtbezirk vor, der vom Kongress verwaltet wird, aber es wird nur die Maximalgröße (260 km²) festgelegt. Man könnte schlicht das Weiße Haus, den Kongress und die Mall mit ihren Bundesmuseen zum Hauptstadtbezirk erklären (in dem dann praktisch niemand wohnt) und den Rest eben zum Bundesstaat:

    2016 fand auch hier ein Referendum zum Thema statt, 86% der WählerInnen sprachen sich für die Anerkennung des Großteils Washington DCs als Bundesstaat aus. Als Name ist State of Washington, Douglass Commonwealth im Gespräch, also eine Benennung nach dem schwarzen Aktivisten gegen die Sklaverei Frederick Douglass, die gleichzeitig das vertraute "DC" beibehält.

    Ich weiß nicht, wie es um die Besteuerung der Puerto Ricaner bestellt ist, aber das Steueraufkommen Washington DCs übersteigt das von 22 Bundesstaaten. Und schon die amerikanischen Unabhängigkeitskämpfer forderten: No taxation without representation.

    https://en.wikipedia.org/wiki/2016_Washington,_D.C._statehood_referendum

  • RE: Power to the People

    SeppH (!), 22.09.2020 20:13, Reply to #68
    #69

    Was sollen denn einseitige Referenden bei einer solchen Fragestellung bringen? Selbst Referenden für einen Austritt sind nicht unproblematisch, aber bei einer vollständigen Aufnahme in den Staatenbund o.ä. zählt insbesondere die Meinung des aufnehmenden Staates.

    Das Argument mit DC würde in dieser Form seit über 200 Jahren gelten. Warum wurde 200 Jahre lang DC nicht als Bundesstaat anerkannt? Es gab doch sicherlich Phasen, in denen die Demokraten das hätten bestimmen können.

  • RE: Power to the People

    Wanli, 22.09.2020 20:34, Reply to #69
    #70

    Was sollen denn einseitige Referenden bei einer solchen Fragestellung bringen? Selbst Referenden für einen Austritt sind nicht unproblematisch, aber bei einer vollständigen Aufnahme in den Staatenbund o.ä. zählt insbesondere die Meinung des aufnehmenden Staates.

    Was denn für ein aufnehmender Staat? Puerto Rico ist seit 1898 Teil der USA, Washington DC ist die Hauptstadt. Die Einwohner beider Gebiete sind amerikanische Staatsbürger.

    Das Argument mit DC würde in dieser Form seit über 200 Jahren gelten. Warum wurde 200 Jahre lang DC nicht als Bundesstaat anerkannt? Es gab doch sicherlich Phasen, in denen die Demokraten das hätten bestimmen können.

    Kann ich Dir ehrlich gesagt nicht erschöpfend beantworten, aber es gibt dazu einen ellenlangen Wikipediaartikel, den kannst Du Dir im Zweifelsfall zu Gemüte führen.

    Beim Überfliegen stellt man gewisse Parallelen zur irischen Unabhängigkeitsbewegung fest: Lange fochten die Einwohner der Hauptstadt für home rule, also eine gewisse Autonomie, seit 1980 streitet der Bezirk ernsthaft für die Anerkennung als Staat, zum Beispiel gibt es zwei "SchattensenatorInnen", die in der Öffentlichkeit für die Anerkennung als Bundesstaat werben, 1982 wurde durch Referendum eine "Staatsverfassung" abgesegnet, die natürlich nicht in Kraft trat. Mit Bill Clinton und Barack Obama unterstützten zwei Präsidenten das Anliegen der Hauptstadtbewohner, ein entsprechender Gesetzentwurf scheiterte 1993 im Repräsentantenhaus, 2014 unternahm man im Senat einen ebenfalls erfolglosen neuen Anlauf.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Statehood_movement_in_the_District_of_Columbia

    EDIT

    Vielleicht kann man noch anmerken, dass es in der amerikanischen Geschichte ja lange große Gebiete gab, die eben keine Bundesstaaten waren, und daher die fehlende Repräsentation der Hauptstadt oder Puerto Ricos eben nur ein Fall von vielen war; seit 1959 ist das halt anders und die Verwehrung demokratischer Rechte wird seitdem vielleicht einfach stärker wahrgenommen.

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