In Erwartung eines überaus knappen Wahlergebnisses wird der Bundestagswahlkampf auch mit öffentlichen Auftritten vom Kanzler und seiner Herausforderin fortgesetzt. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will in Recklinghausen und Frankfurt, Unionskandidatin Angela Merkel (CDU) in Bonn um Wähler kämpfen. Zudem stritten SPD und Union weiter erbittert über angebliche Sparpläne und Streichungen von Steuervorteilen. (Siehe auch: Â?SparlistenÂ?: Merkel droht mit Ausschuß, Eichel mit Klage )
Entscheidung erst am 2.Oktober?
Um eine Koalition von Union und SPD zu verhindern, werben die kleineren Parteien verstärkt um Zweitstimmen, vor allem die Grünen im SPD-Lager.
Falls das vorläufige amtliche Wahlergebnis so knapp ausfallen wird wie 2002, als es um wenige tausend Stimmen für die FDP ging, könnten sich die Mehrheitsverhältnisse im neuen Bundestag erst durch Überhangmandate oder die Nachwahl im Dresden am 2. Oktober entscheiden. Dann findet im Wahlkreis 160 (Dresden I) eine Nachwahl statt, die wegen des Todes der NPD-Direktkandidatin erforderlich ist.
Auf Basis der Umfragen und der Koalitionspläne der Parteien gelten ein schwarz-gelbes Bündnis oder eine große Koalition als wahrscheinlichstes Ergebnis. SPD und Grüne haben ein Bündnis mit der Linkspartei ausgeschlossen.
Allensbach und Forsa: Schwarz-Gelb mit knapper Mehrheit
In den Wahlkampfzentralen herrscht weiter Nervostät, denn nach Angaben der Umfrageinstitute gab es in den vergangenen Tagen im Vergleich zur Vorwoche keine erkennbaren Bewegungen unter der Wählerschaft. Die Union liegt unisono zwischen 40 und 43 Prozent, die SPD bei 32 bis 35 Prozent sowie FDP, Grüne und Linkspartei jeweils zwischen sechs und acht Prozent. Der Anteil der Unentschlossenen wird mit bis zu 30 Prozent angegeben. Deshalb wird nun vor allem um die sogenannten Impulswähler gekämpft, die sich erst in der Wahlkabine entscheiden.
In der am Freitag von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorab veröffentlichten Umfrage verlor die Union leicht auf 41,5 Prozent von 41,7 Prozent. Ihr Wunsch-Koalitionspartner FDP legte allerdings um einen Punkt auf 8,0 Prozent zu. Damit kommen beide zusammen auf 49,5 Prozent, was für eine knappe Mehrheit im neuen Bundestag reichen würde. Die SPD gab 0,4 Punkte auf 32,5 Prozent ab, die Grünen 0,2 Punkte auf 7,0 Prozent. Die in Linkspartei umbenannte PDS blieb konstant bei 8,5 Prozent. Das Institut hatte von Samstag bis Donnerstag 1682 Wahlberechtigte nach ihrer Zweitstimmen-Wahlabsicht befragt.
Forsa verzichtet in seiner letzten Umfrage vor der Wahl auf exakte Prozentangaben, sieht aber auch leichte Vorteile für Schwarz-Gelb.
Stoibers Zukunft weiter offen
Die Ergebnisse der Wahlkreise
Für den Fall einer schwarz-gelben Mehrheit haben Union und FDP vereinbart, Koalitionsverhandlungen zu führen. Frau Merkel würde dann Bundeskanzlerin werden; die FDP hat sich auf ihren Fraktionsvorsitzenden Gerhardt als Außenminister festgelegt.
Der CSU-Vorsitzende Stoiber ließ bis zuletzt die Bekanntgabe seiner Entscheidung offen, ob er nach Berlin wechseln oder Ministerpräsident in Bayern bleiben wolle. Für den Fall, daß Union und FDP nicht eine ausreichende Mehrheit erhielten, haben mehrere führende SPD-Politiker die Bereitschaft für eine große Koalition signalisiert. Schröder hatte zudem im Laufe des Wahlkampfes gesagt, er persönlich sei nicht bereit, als Â?JuniorpartnerÂ?, also als Vizekanzler, in das Kabinett einer großen Koalition einzutreten.
FDP schließt Ampel aus, Grüne Bündnis mit Linkspartei
Die Vorsitzenden der Grünen, Bütikofer, und der FDP, Westerwelle, hatten die Bereitschaft für eine Â?AmpelkoalitionÂ? ausgeschlossen. Die FDP hatte dies zudem am vergangenen Sonntag in einem Parteitagsbeschluß festgelegt. Gleichwohl gibt es in der SPD immer noch Vermutungen, im Falle des Falles könne es doch zu einem Bündnis von SPD, Grünen und FDP kommen. Eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit mit der Linkspartei hatten Schröder und der SPD-Vorsitzende Müntefering ausgeschlossen.
In einer Zweitstimmenkampagne warnten die Grünen zuletzt verstärkt vor einer großen Koalition. Außenminister Fischer und Umweltminister Trittin äußerten in Interviews, nur bei einem starken Ergebnis für die Grünen könne Schröder Bundeskanzler bleiben. Â?Wir wollen die rot-grüne Mehrheit verteidigen.Â?
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte: Eine Stimme für die SPD könne in einer großen Koalition Â?untergehenÂ?. Bütikofer verwandte das Bild: Â?Wir sind nur für eine einzige Ampel zu haben. Und das ist die Fußgängerampel, die hat nur Rot und Grün.Â?
Große Koalition: Â?NotprogrammÂ? oder Â?relativer ErfolgÂ?
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Böhr zeigte sich im Fernsehsender N24 zwar zuversichtlich, Union und FDP würden eine Mehrheit erreichen. Für den anderen Fall habe die Union aber die staatsbürgerliche Pflicht, mit der SPD über ein Â?Notprogramm einer großen KoalitionÂ? zu verhandeln. Frau Merkel hatte in den vergangenen Tagen die Erwartung geäußert, es werde nicht zu einer Koalition von Union und SPD kommen.
Obwohl Schröder in seinen öffentlichen Äußerungen im Wahlkampf die Gewißheit zu verbreiten versucht hatte, er werde gewinnen, gibt es - bis in den linken Flügel der SPD hinein - die Bereitschaft, falls möglich und erforderlich, in eine große Koalition einzutreten. Intern wird eingestanden, daß es der SPD vor allem darum gehe, Schwarz-Gelb zu verhindern, so daß eine große Koalition möglich würde. Â?Angesichts der Ausgangslage werden wir es am Sonntag als Erfolg verbuchen, wenn wir Union und FDP stoppenÂ?, sagte ein führendes Mitglied. Â?Eine große Koalition wäre für uns ein relativer Erfolg.Â?
Ein Bündnis mit der Union würde nach verbreiterer Einschätzung jedoch auf schwere Bedenken in der Partei stoßen, die damit angreifbarer für die Linkspartei werden könnte. In jedem Fall dürfte dann Schröders Schicksal als Kanzler besiegelt sein. Das bisherige Bundeskabinett wird aber in jedem Falle am kommenden Mittwoch wieder zusammentreten, wie Regierungssprecher Anda mitteilte.
Rund 17.000 Deutsch-Türken haben Wahlrecht verloren
Am Sonntag sind etwa 62 Millionen Deutsche berechtigt, an der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag teilzunehmen. Es ist - nach 1972 und 1983 - das dritte Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, daß der Bundestag vor Ablauf der regulären Legislaturperiode neu gewählt wird.
Mehr als 17.000 Deutsch-Türken haben offenbar kurz vor der Wahl die deutsche Staatsangehörigkeit und damit auch das Wahlrecht verloren. Die ursprünglich eingebürgerten Deutsch-Türken hätten sich wieder einen türkischen Paß besorgt und damit automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit verwirkt, berichtete das Magazin Â?FocusÂ? am Freitag vorab.
In Bayern hätten bisher knapp 6000 Betroffene ihren deutschen Paß abgeben müssen, in Hessen knapp 5400, in Nordrhein-Westfalen knapp 4000, in Berlin rund 1350, in Hamburg rund 550 und in Baden-Württemberg knapp 540. Sie seien im Vorfeld der Wahl aufgefordert worden, ihren Status anzugeben.
Absolut letztes:
Wahlbeteiligung in SPD-"Kernländer" deutlich höher wie in anderen Länder (z.B. Bayern) - SPD kann letzendlich doch scheinbar besser mobilisieren.....
jo, auch realistisch - denn letzten Endes wird es die Gesamtprozentzahl der linken Seite nicht erhöhen, nur innerhalb wirds sichs verschieben und alles, was die Linken einstecken, geht rot-grün verloren, da beide ja eine Koalition mit den Linken ausgeschlossen haben..
Was ich gehört habe, soll sich die FDP aber gut schlagen, gestern bei der Spaßwahl im Fernsehen haben sie sogar fast 15 % erhalten - da hat die SPD aber gewonnen mit 35 %. Waren fast lauter sehr junge Wähler, aber bitte!
Immerhin liegt die FPD in den letzten Umfragen auch bei 8 % und da sie offenbar, was ich so mitkriege, keine Renommierpartei ist, mit der man sich in Umfragen schmückt, sondern wohl eher eine Graue Maus sein dürfte, finde ich das beachtlich. Würde bedeuten, Merkel braucht nur knapp über 42 % und das müßte sie doch schaffen....
Mir wärs recht, wenn sie mehr macht, denn ich habe mein CDU-Depot im Schnitt um Mitte bis hohe 38er gekauft - d.h. wenn sie nicht total abstürzt, mach ich beim jetigen Stand schon Gewinn, he höher, desto mehr - aber da ich um den Sieg sowieso nie mitspiele, weils mir sogar viel zu anstrengend wäre, ganz zu schweigen vom Können, wär das nicht so tragisch wie eine weitere rotgrüne Amtsperiode. Auch für uns - denn das würde bedeuten - keine Wirtschaftsimpulse, kein Exportwachstum für Österreich, keine vermehren Deutschen Touristen, weil sie weiter am Hungertuch nagen werden --- dafür die Türkei in Brüssel am Verhandlungstisch und Milliarden fließen in die Türkei ab, während man den Nettozahlern weiter rauspreßt und wir unsere eigenen Leistungen dafür zu rückschrauben müssen.
Hoffen wir also unabhängig vom Depot, daß sie klar gewinnt - wir können dabei so oder so nur gewinnen!