Ein einfühlsamen Artikel zum Thema "Jetzt drehen die Grünen völlig am Rad" oder besser formuliert "Hilfe, ich hab' meine Bodenhaftung verloren und keiner fängt mich wieder ein!" kann der heutigen Ausgabe der FR entnommen werden.
Für jene, die nicht alles lesen mögen, hier eine Zusammenfassung: "...und wenn Politik wie ein Märchen funktionieren würde, dann zöge Tarek Al-Wazir als Grüner Ministerpräsident in die Staatskanzlei in Wiesbaden ein und regierte dort glücklich zwischen Sonnenblumen bis ans Ende seiner Tage." Amen!
Parteitag der hessischen Grünen
Tarek for President
Von Matthias Thieme
Er ist der Hoffnungsträger des hessischen Grünen-Parteitags, der Star von Fulda, der Liebling seiner Partei. Wenn der schlanke Tarek Al-Wazir im grauen Anzug die Bühne betritt und am Rednerpult hinter Sonnenblumensträußen auf Roland Koch schimpft, dann geht den Mitgliedern das Herz auf und sie klatschen begeistert. Nur er könne Roland Koch in Hessen das Wasser reichen, heißt es immer wieder. Und jetzt auch öffentlich: Tarek for President.
Daniel Cohn-Bendit, Altmeister der spontan-emotionalen Parteitagsaufwallung, ruft die Botschaft laut in die Fuldaer Kongresshalle und rudert mit den Armen. "Koch oder Tarek" - das sei jetzt die Frage, völlig klar. Es sei eine Richtungsentscheidung, entweder CDU oder Grüne, fertig aus. Und nicht etwa SPD. Die sei "zur Provinzpartei degeneriert", lebe "in einer anderen Welt". Deshalb liege alle oppositionelle Hoffnung auf Tarek Al-Wazir.
Auch der neue Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, der mit modischen Koteletten in Fulda betont lässig schlendernd seine Aufwartung macht, will nicht mehr einsehen, dass immer die größere Partei den Ministerpräsidenten stellt. "Es würde uns gut tun, wenn der nächste Hessische Ministerpräsident Tarek Al-Wazir heißt", ruft Özdemir. Fast der einzige Satz an diesem Samstagmorgen, der die Grüne Versammlung zu Begeisterungsbekundungen bringt. Sie klatschen, jubeln, rufen ihrem Star zu. Bei fast allen anderen Rednern wird demonstrativ Zeitung gelesen, geschwätzt, gegessen. Selbst als Cem Özdemir kommt, nimmt ihn zunächst kaum einer der Versammelten wahr. Fulda ist Tarek-Land, Tarek for President.
Ernst gemeint - oder ein wenig gaga?
Der bejubelte Al-Wazir sagt, dass die Wahl in Hessen auch "eine Volksabstimmung über den Ministerpräsidenten" sei. Faktisch stimmt das zwar nicht, aber emotional ist es wohl so, zumindest bei den Grünen in Hessen, dieser Tage. Wer kann die verfahrene Situation lösen? Aus Sicht Al-Wazirs nicht sehr viele: Die CDU ist von gestern, grenzt Minderheiten aus und betoniert alles mit Autobahnen zu, die Koch-treue FDP ist für die Finanzkrise mitverantwortlich, die SPD komplett unberechenbar. Bleibt nur noch: Al Wazir for President. So sieht es die Grüne Partei.
Doch ist das ernst gemeint - oder eher ein wenig gaga? Zuletzt versuchte sich FDP-Chef Guido Westerwelle mit einer "Kanzlerkandidatur" und machte sich lächerlich. Das will Al-Wazir vermeiden und sagt deshalb schon mal vorab, dass er kein "Guidomobil" brauche. Er wolle lieber durch Inhalte überzeugen. Da hat sich bei den Grünen nicht viel verändert. Umwelt, Bildung, Energiewende. Die Partei zieht weitgehend mit dem Programm des vergangenen Wahlkampfs in den kommenden. Neu ist ein Kapitel zur Wirtschaft und zur Finanzkrise. "Der Markt ist nicht alles und kann nicht alles", heißt es jetzt erwartbar. Als Konsequenz aus der Finanzkrise wollen die Grünen in Hessen Anleger besser schützen. Die Partei setzt sich für die vollständige Ansiedelung der Finanzmarktaufsicht Bafin in Frankfurt ein und fordert einen Ausbau der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Frankfurt am Main.
Zehn plus X Prozent peilen die Grünen an. Bei der vergangenen Wahl waren es nur siebeneinhalb. Aber Al-Wazir hofft, dass die Grünen nicht für das Scheitern der Regierungsübernahme verantwortlich gemacht werden. "An uns lag es nicht", sagt er. "Wir wissen nicht nur was wir wollen, wir würden es auch hinkriegen." Die SPD hat es vergeigt, das ist die Botschaft. Herrje, die zerstrittenen hessischen Genossen, die sich jetzt mit Parteiausschlussverfahren beschäftigen.
Der Grüne Ministerpräsidentenkandidat Al-Wazir ist da schon weiter. "Besonders die Stimmen enttäuschter SPD-Anhänger", die hätte er gerne zu einem grünen Erfolg bei der Landtagswahl am 18. Januar. Dann hätten die Grünen vielleicht eine zweite Regierungs-Chance. Hessen könnte doch zum Musterland bei Umwelt- und Klimaschutz werden, Umwelttechnologie-Unternehmen bekämen beste Startchancen, Flughafen- und Autobahnprojekte würden gestoppt. Und wenn Politik wie ein Märchen funktionieren würde, dann zöge Tarek Al-Wazir als Grüner Ministerpräsident in die Staatskanzlei in Wiesbaden ein und regierte dort glücklich zwischen Sonnenblumen bis ans Ende seiner Tage.
Re: Hessen: Grüner Größenwahn oder: Tarek for President
Obgleich die Frankfurter Grünen präsentable Politiker wie Sarah Sorge und Marcus Bocklet vorweisen können, wollen sie nur Tarek Al-Wasir Plakatieren.
Langsam artet das in Personenkult aus. Ich glaube nicht, dass das bei der Grünen Wählerschaft gut ankommt. Nur als Team kann man in der Politik etwas bewegen.
Fernsehduell mit Koch oder Ambitionen auf den Ministerpräsidentenstuhl, sind taktische Spielereien. Wollten die Grünen nicht einen auf Inhalte fokussierten Wahlkampf machen? Oder ist Tarek jetzt schon der Inhalt?